Es braucht ein Gesamtpaket
„Die Lage ist viel zu ernst, um sich auf Detailmaßnahmen zu konzentrieren. Es braucht ein Gesamtpaket, um Einzelmaßnahmen hebeln zu können“, sagt ÖGB-Volkswirtin Helene Schuberth. „Viele Maßnahmen, die aus unserer Sicht sehr wichtig wären, würden auch keine fiskalischen Kosten verursachen.“ Es geht auch um eine Investitionsoffensive auf dem Bau, um diese Branche samt vor- und nachgelagerten Bereichen nach drei Jahren der Rezession wieder zu stärken.
Auf den öffentlichen Wohnbau fokussieren
Gefordert sind vom ÖGB unter vielen anderen Punkten ein Fokus auf den öffentlichen Wohnbau und ein vorübergehender Stopp von Mietpreiserhöhungen, solange die Inflation hoch ist. Danach soll jährlich nur um beispielsweise zwei Prozent erhöht werden dürfen. Betriebskosten sollen einheitlich definiert werden, Mieter:innen nicht länger Versicherungskosten oder die Grundsteuer tragen müssen.
Sozialer Wohnbau wirkt preisdämpfend
Die Autorin des wohnpolitischen ÖGB-Programms und ÖGB-Volkswirtin, Angela Pfister, ergänzt: „Wenn es um leistbares Wohnen geht, hat sozialer Wohnbau eine zentrale Rolle. Er hat eine preisdämpfende Wirkung auf den Mietmarkt insgesamt.“ Die Wohnbauförderungsmilliarde des Bundes begrüßt sie. Doch das Geld braucht es dauerhaft jährlich und nicht wie derzeit einmalig aufgeteilt auf drei Jahre. Unbedingt müssen die Wohnbauförderungsbeiträge wieder zweckgebunden werden. Sonst verschwinden wichtige Mittel in den Länderbudgets und kommen nicht auf den Baustellen an. Dort komme auch das Geld aus dem Wohnbaupaket der türkis-grünen Bundesregierung vom Frühjahr nicht an, kritisiert Pfister.
Befristete Mietverträge abschaffen
Befristete Mietverträge gehörten im kommerziellen Bereich abgeschafft, bekräftigt AK-Wohnexperte Thomas Ritt. Wie die beiden ÖGB-Vertreterinnen betont auch er, dass die Milliarde für die Wohnbauförderung der Bundesregierung zwar wichtig ist, aber damit einhergehende Maßnahmen nötig macht, um das Geld tatsächlich auf die Baustellen zu bringen. „Nur die Förderung, ohne den Boden zu haben, wo etwas errichtet wird, ist sinnlos“, so Ritt. Gemeinnützige Bauträger dürft en 300 Euro pro Quadratmeter genutzter Wohnfl äche ins Grundstück investieren. In Wien-Favoriten samt Bahnlärm kostete ein Quadratmeter zuletzt 2.700 Euro, also fast das Zehnfache, sagt der AKExperte. Gemeinnützige können kein Grundstück mehr kaufen, wenn nicht etwa wie in Wien Grundstücke seitens der Stadt zur Verfügung gestellt würden. Also braucht es hier flächendeckend österreichweit in Ländern und Gemeinden Maßnahmen, um Grundstücke für diese Art des Wohnbaus leistbar zu halten und um überhaupt bauen zu können.
AK-Wohnexperte Ritt stellt eine Rechnung an, die seiner Ansicht nach beweist, dass der Wohnbau zuletzt Spekulationsobjekt für „Betongold“ war.
„Betongold“ und Überangebot
Ritt stellte auch eine Rechnung an, die seiner Ansicht nach beweist, dass der Wohnbau zuletzt Spekulationsobjekt für „Betongold“ war. Seit 2018 sind rund 380.000 neue Wohnungen errichtet worden. Der Wohnbedarf hat aber lediglich 280.000 Wohnungen betragen. „Es wurden 100.000 Wohnungen zu viel errichtet; ein enormes Überangebot. Aber die Mietpreise sind seit 2018 um 22 Prozent und die Kaufpreise um 35 Prozent gestiegen. Das zeigt, dass der österreichische Wohnungsmarkt ganz klar zur Spekulation für Betongold dient – daher steigende Preise trotz Überangebot.“ Grundstücke im Besitz der öffentlichen Hand wie aufgelassene Bahnareale oder Kasernen sollen für geförderten Wohnbau reserviert werden. Die Grundstückspreise sind so hoch, dass gemeinnützige Bauträger sich die Baugründe gar nicht leisten können, sagte AK-Fachmann Thomas Ritt.

Auf den Punkt gebracht.
Die Wohnungskosten steigen schon seit Jahren unverhältnismäßig stark an. Für Mieter:innen werden die Kosten eine immer größere Belastung, während Immobilienfirmen seit Jahren hohe Gewinne machen. Nach der Finanzkrise, als Kredite wenig kosteten und Börsenspekulation zu heikel wirkte, wurden viele Wohnungen nicht für den Wohnbedarf, sondern für die Veranlagung von Fonds und Spekulant:innen gebaut. Die Regierung hat in den letzten Jahren zu wenig getan, um leistbares Wohnen zu ermöglichen. Das Wohn- und Baupaket ist bei Weitem nicht ausreichend – nur neue Wohnungen zu bauen, ist nicht die Lösung. Die Mietpreisbremse kommt zu spät und ist weitgehend unwirksam. Der ÖGB verlangt daher ein umfassendes Gesamtpaket für leistbares Wohnen.
Die drei Säulen des leistbaren Wohnens
1. Wohnen darf kein Luxus, sondern muss für alle leistbar sein.
• Die Politik hat Spekulationen zu unterbinden und dem öffentlichen Wohnbau Vorrang zu geben.
• Mietpreisstopp – die Mietpreisbremse der Regierung ist zu reparieren.
• Befristungen verbieten.
• Einheitliche Definition der Betriebskosten.
2. Es muss dauerhaft in sozialen Wohnbau
• Sanierungsrate bei den öffentlichen Gebäuden erhöhen.
• Gründung einer öffentlichen Sanierungsbank.
• Förderung von großvolumigem Holzwohnbau als Beitrag zur CO2-Reduktion bei Baustoffen.
• Variable Kredite in fix verzinste Kredite mit günstigen Zinssätzen für Kreditnehmer:innen umwandeln.
3. Turbo für den Austausch fossiler Heizungssysteme in Mietwohnungen.
• Es muss sichergestellt bleiben, dass die Kosten für den Austausch fossiler Heizungssysteme nicht auf die Mieter:innen überwälzt werden.
• Da bislang keine Pflicht zum Austausch fossiler Heizung in Mietwohnungen geschaffen wurde, bedarf es einer Regelung für die Aufteilung der CO2-Steuer.