Vom CO2 Rucksack eines Gebäudes

So klimaneutral wie möglich bauen, lautet das Gebot der Stunde. Happy together wollte wissen, welche Maßnahmen bei Neubauten sinnvoll sind.

„Gestern Nachmittag hab ich beim Fenster ausseg’seh’n. Heute in der Früh ham’s mir den Himmel schon verstellt …“ – Der Inhalt von Arik Brauers Liederklassiker „Sie ham a Haus baut“ stammt zwar schon aus dem Jahr 1971, doch trifft er ganz gut den Kern der Sache: Die Errichtung von Gebäuden hat auch Schattenseiten. Wenn gebaut wird, schafft das einerseits neuen Wohnraum und erhält Arbeitsplätze. Es bedeutet aber auch Emissionen, Ressourcenverbrauch und Bodenversiegelung.

Nicht zuletzt befeuert durch die Klimawandeldiskussion erfährt der ökosoziale, nachhaltige und klimaneutrale Wohnbau mehr Aufmerksamkeit denn je. Aber was heißt überhaupt klimaneutral bauen?

Antworten und Definitionen darauf gebe es zahlreiche, so Klaus Reisinger, Geschäftsführer von ClimatePartner Austria. Die Organisation entwickelt und unterstützt weltweit eine Vielzahl an zertifizierten Klimaschutzprojekten. „Für mich persönlich bedeutet es im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden, nicht mehr an Treibhausgasemissionen zu verursachen, als man vor Ort einsparen und darüber hinaus an anderer Stelle kompensieren kann“, meint Reisinger. „Jedes Haus schleppt immer einen CO2-Rucksack mit.“ Um hier einen Ausgleich zu schaffen, müsse eine Kompensation gar nicht ausschließlich auf der Baustelle stattfinden. „Man kann als Bauträger auch Aufforstungsflächen, Meeresschutzinitiativen und andere Projekte weltweit unterstützen“, informiert er. 

DI Dr. Klaus Reisinger, geschäftsführender Gesellschafter ClimatePartner Austria GmbH © ClimatePartner Austria GmbH

Klimaneutralität in der BWS-Gruppe

Als Bauträger sieht sich die BWS-Gruppe gefordert, den Rucksack tragbarer zu machen. Was Klimaneutralität für das Unternehmen bedeutet, beschreibt Vorstand Michael Kaiser: „Die Gebäude der Zukunft müssen bei Flächen- und Ressourcenverbrauch sowie in der Bewirtschaftung nachhaltig sein. Der Wohnraum selbst muss für die Bewohner leistbar bleiben. Modernes Wohnen muss aus unserer Sicht mit ausreichenden Freiflächen, flexiblen Grundrissen, Elektromobiliät und umfangreicher Begrünung außen und nachhaltiger Temperierung innen Lösungen für die Herausforderungen der heutigen Zeit bieten.“

Dass die BWSG in puncto Klimaneutralität bereits auf einem guten Weg ist, zeigt der Gewinn diverser Bauträgerwettbewerbe unter der Schirmherrschaft von Alexander Kopinitsch (Projektentwicklung). Jüngster Erfolg: der erste Platz für das Projekt „Im Terrassengarten“ in der Meischlgasse im 23. Wiener Gemeidebezirk. Die Holzhybrid-Konstruktion soll bis 2026 realisiert werden.

 

Im dritten Wiener Gemeindebezirk entstehen vier Geschosse in Mischbauweise mit Fassadenbegrünung, Gemüsedeck und Bienenstöcken im Obergeschoss. Jeder Bewohner von Bella Vista erhält zum Einzug eine Baumpatenschaft. © schreinerkastler.at

Für Kopinitsch ist Klimaneutralität eng mit Nachhaltigkeit verknüpft. Seine Lieblingsprojekte sind, neben dem Terrassengarten, das Holz-hybrid-Wohnhaus „Rote Emma“ (1220 Wien) und „Bella Vista“, ein Gebäude in Mischbauweise im Village im Dritten. Ein Aspekt, mit dem alles steht und fällt, ist laut Kopinitsch immer der Kosten-Nutzen-Faktor: „Asphalt ist immer noch günstiger als eine versickerungsoffene Oberfläche. Fassadenbegrünung ist äußerst klimafreundlich, aber teuer und aufwendig in der Pflege.“ 

Ein Aspekt, mit dem alles steht und fällt, ist laut Ing. Alexander Kopinitsch, BWSG-Projektentwicklung, immer der Kosten-Nutzen-Faktor. © BWSG

Als gute Alternative nennt er Begrünungströge in den Loggien, wie in der Roten Emma geplant. Statt gewachsenem Kies könne man zwischen Außenwand und Baugrund auch gebrochenes recyceltes Betonmaterial verwenden. „Holz-Alu-Fenster sind in Hinblick auf Nachhaltigkeit das Optimum, weil ich mir das Streichen der Fenster erspare“, zählt Kopinitsch ein weiteres praktisches Beispiel für nachhaltiges Bauen auf.

Ob sich der Einsatz ressourcenschonender Baustoffe aber auch rechne, hänge auch von der Bau-umgebung ab. Besonders im innerstädtischen Bereich mit wenig Grünfläche sei nachhaltiges Bauen angemessen – bis auf die Installation einer Wärmepumpe. Dies habe mit dem sogenannten „Urban-Heat-Effekt“ zu tun: „Aufgrund der Klimaveränderungen wird es immer heißer.

Die Wohnungen müssen sowohl im Sommer als auch im Winter entsprechend temperiert werden können. Dafür sind ganz klar Flächenheizsysteme im Fußboden oder eine Bauteilaktivierung zur Wärmeabgabe in Verbindung mit einer Wärmepumpe das Beste“, erklärt Kopinitsch.

 

Gärtnern am Dach der Roten Emma

An Holz als Baustoff komme kein Bauträger vorbei, der in Sachen Klimaneutralität etwas auf sich halte, sagt Kopinitsch. Beim Projekt „Rote Emma“ hat sich die BWSG zum Ziel gesetzt, umweltsensibel, naturverbunden und geerdet zu bauen. Daher wurde es als Holzhybridwohnbau mit einer Urban-Farming-Dachlandschaft geplant. Die Dachgärten werden allgemein zugänglich sein – die Pergolen mit Photovoltaikanlagen bieten witterungsgeschützte Rückzugsorte und eben Möglichkeiten zum Gärtnern.

DI Michael Kaiser, Vorstand BWS-Gruppe: „Die Gebäude der Zukunft müssen bei Flächen- und Ressourcenverbrauch sowie in der Bewirtschaftung nachhaltig sein.“ © Raphael Moser

Die Sockelzone beherbergt gemeinschaftlich nutzbare Räume. Jede Etage der schlanken Baukörper in Holzhybrid-fertigung verfügt über einen gemeinschaftlich nutzbaren Multifunktionsraum sowie über einen separat anmietbare Coworking-Space. Dennoch ist Holz laut Kopinitsch nicht für alle Höhen und Ausführungen geeignet: „Ab Bauklasse 5 wird es aufgrund der Brandschutzthematik mit einer Holzkonstruktion schwierig. Mitbedenken muss man auch, dass die Holzpreise in den vergangenen zwei Jahren explodiert sind – so etwas ist im Bereich der Wohnbauförderung einfach nicht mehr argumentierbar.“

Manchmal gehen sogar Klimaneutralität, Nachhaltigkeit und das genaue Gegenteil davon Hand in Hand, wie Kopinitsch am Beispiel der Vollwärmeschutzfassade erklärt: „top für das Gebäude, den Heizwert und die Kosten, aber nicht recycelbar. Mineralwolle ist besser, aber teurer. Am optimalsten wäre eine Korkfassade. Diese ist ökologisch unbedenklich, aber nicht wirklich nachhaltig – Korkbäume wachsen langsam und sind nicht in rauen Mengen vorhanden.“ Letzten Endes müsse man sich das Wohnen in einem solchen Gebäude auch leisten können. Dem stimmt auch Reisinger zu: „Keine Frage, nachhaltig und klimaneutral bauen ist teurer. Die Vorteile überwiegen, denn dabei gewinnen das Gebäude, die Menschen, die darin leben, und die Umwelt.“

In der Meischlgasse in Wien 23 entstehen 285 Wohneinheiten in Holzhybridkonstruktion. An dieser Adresse entsteht auch die erste österreichische Energiegenossenschaft. © ZOOM visual project gmbh
Im dritten Wiener Gemeindebezirk entstehen vier Geschosse in Mischbauweise mit Fassadenbegrünung, Gemüsedeck und Bienenstöcken im Obergeschoss. Jeder Bewohner von Bella Vista erhält zum Einzug eine Baumpatenschaft. © schreinerkastler.at
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