Gemeinschaft am Arbeitsplatz

Im Gespräch mit Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer.

Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen haben klarerweise unterschiedliche Einstellung betreffend Arbeit. Welche Veränderungen bzw. welche Maßnahmen bräuchte es, dass Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen wieder an einem Strang ziehen?

Als Erstes müsste man die Wirtschaft wieder als das sehen, was sie ist: ein Zusammenspiel von beiden Seiten – Betrieben und Beschäftigten. Betriebe wollen Gewinne machen, das ist o.k., das nutzt ja auch den Arbeitnehmer:innen. Und die wollen gute Arbeitsbedingungen und faire Einkommen. Dann arbeiten sie motiviert und das nutzt wieder den Betrieben. Es sollte also mehr ums „Together“ gehen.

Die Viertagewoche ist in aller Munde. Wie stehen Sie dazu? Die Arbeitnehmer:innen wollen laut mehreren Studien eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich, ist das Ihrer Meinung nach finanzierbar? Wieso möchten die Menschen Ihrer Meinung nach weniger arbeiten?

Der Wunsch ist sehr verständlich, denn der Arbeitsdruck wird immer höher. Viele, vor allem Junge, wollen neben der Arbeit auch noch ein Leben haben. Es gibt Betriebe, die das schon machen, bei vollem Lohnausgleich, und die nicht bankrott gehen. Bei jeder Arbeitszeitverkürzung ist diese Frage gestellt worden, die Wirtschaft ist nie zusammengebrochen. Es geht.

„Viele, vor allem Junge, wollen neben der Arbeit auch noch ein Leben haben.“

In vielen Firmen mangelt es an Fachkräften – warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Es mangelt nicht an Fachkräften – das klingt so, als würden sie vom Himmel fallen. Betriebe bilden immer weniger aus, wollen den Fachkräftebedarf, den sie haben, an die Allgemeinheit auslagern. Viele haben auch den Strukturwandel verschlafen oder unterschätzt – Digitalisierung, Ökologisierung. Hier gibt es neue Berufe, es werden aber zu wenig Fachkräfte ausgebildet oder eben zu spät.

Wie kann der Fachkräftemangel kurzfristig behoben werden? Was wäre der langfristige Plan?

Es ist ganz einfach: Betriebe planen längerfristig voraus, das betrifft Aufträge, Kosten, Marktlage, technische Entwicklungen etc. Das muss ja auch beim Personal möglich sein. Wir haben Erhebungen, die sagen, dass sich Betriebe sowohl aus der Lehrlingsausbildung als auch aus der beruflichen Weiterbildung immer mehr zurückziehen. Dass sie dann keine Fachkräfte haben, kann dann niemanden wundern. Diese Tendenz muss wieder umgekehrt werden – im Interesse der Betriebe und der Arbeitnehmer:innen.

Zurzeit hat man die Wahrnehmung, dass für die Menschen ihre Arbeit nicht mehr „sinnstiftend“ ist, woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Die vergangenen Jahre waren wirklich hart und haben den Beschäftigten viel abverlangt: Arbeitsdruck, Corona, Kurzarbeit. Wir wissen auch, dass viele krank arbeiten gehen – auch schon vor Corona – aus Angst, den Job zu verlieren. Und viele arbeiten 40 Stunden und mehr, zum Beispiel in der Gastronomie, und bekommen dafür ein paar Hundert Euro. Dass es da keinen Spaß macht, verstehe ich sehr gut.

 

AK-Präsidentin Renate Anderl © Sebastian Phillip

Es wird von der Politik vorgeschlagen, dass in vielen Bereichen arbeitswillige ältere Menschen wieder in die Arbeitswelt zurückgeholt werden sollen. Sehen Sie das auch so?

Für uns als Arbeiterkammer ist vor allem wichtig, dass die Menschen ihr Pensionsalter gesund erreichen können – das ist in vielen Fällen nicht der Fall. Hier muss man ansetzen.

Frauen verdienen in Österreich immer noch deutlich weniger als Männer. Woran liegt das und was muss man dagegen tun?

Es stimmt und diese Tatsache ist eine Schande für ein so reiches Land. Es fehlt an vielen Ecken und Enden für gerechte Einkommen: die Rollenbilder, die junge Frauen in bestimmte Berufe bringen; die Rahmenbedingungen wie ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich; die Geheimnistuerei bei den Einkommen. Aus diesen und weiteren Gründen fallen die Frauen bei den Einkommen – und dann auch bei den Pensionen – zurück. Wir brauchen unter anderem mehr Geld für Kinderbildungseinrichtungen – 1 Milliarde pro Jahr; einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag; volle Einkommenstransparenz in den Betrieben – nur wenn Frauen wissen, was die Kollegen verdienen, können sie das auch für sich einfordern.

Durch die hohe Inflation ist das Leben trotz Arbeit nicht mehr leistbar. Welche Spartipps fallen Ihnen ein, die nicht wehtun und bei denen die Lebensqualität so halbwegs erhalten bleibt?

Es gibt viele Möglichkeiten, zu sparen – wenn man genug Geld hat. Menschen, die jeden Euro vier Mal umdrehen müssen, haben keine. Es ist außerdem die Verantwortung der Bundesregierung, Armut zu verhindern und abzubauen. Als Erstes müssen unsere Sozialleistungen armutsfest gemacht, unser Sozialstaat gestärkt werden.

 

Was macht Sie persönlich happy?

Zeit mit meiner Familie, mit Freundinnen und Freunden, und wenn Rapid ein Spiel gewinnt.

Was tun Sie dafür, dass Sie sich happy fühlen?

Ich bin an sich ein fröhlicher Mensch. Ich bin happy mit einem guten Buch auf meiner Terrasse, im Spiel mit meinem Enkel, im Urlaub im schönen Österreich …

Welche Veränderungen würden Sie happy machen?

Gerechtigkeit in der Arbeitswelt, das Ende jeglicher Diskriminierungen, eine friedliche, gewaltfreie Welt mit intaktem Klima ohne Ausbeutung.

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