Einfaches Bauen

Architektur zwischen Ästhetik, Nachhaltigkeit und Innovation.

In Zeiten des Klimawandels und der fortschreitenden Ressourcenknappheit gewinnt der Begriff des „einfachen Bauens“ zunehmend an Bedeutung. Doch was genau bedeutet „einfaches Bauen“ aus architektonischer Sicht? Es geht nicht nur um reduzierte Formen oder ästhetische Schlichtheit – es ist eine Philosophie, die ökologische Verantwortung mit innovativem Design vereint. Ein Ansatz, der nicht nur Materialien effizient nutzt, sondern auch den Lebenszyklus eines Gebäudes in den Mittelpunkt stellt: das intelligente Design.

Ästhetik der Reduktion – Schönheit in der Schlichtheit

Die Ästhetik des „einfachen Bauens“ ist unaufgeregt und zurückhaltend. Sie zeichnet sich durch eine Reduktion auf klare, zeitlose Formen und die Vermeidung von unnötigen Verzierungen aus. In dieser Schlichtheit liegt jedoch eine enorme Schönheit – eine Schönheit, die sich nicht in auffälligen Details oder extravaganten Materialien erschöpft, sondern in der Balance zwischen Raum, Licht und Form.

Der minimalistische Ansatz verzichtet auf das Überladene und sucht stattdessen nach einem harmonischen Gleichgewicht.

Diese Art der Gestaltung folgt einem ganz klaren Prinzip: Sie möchte den Menschen in den Mittelpunkt stellen und ihm Räume bieten, die sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend sind. Räume, die sich durch klare Linien und offene Flächen auszeichnen, fördern nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch eine intuitive Nutzung. Der minimalistische Ansatz verzichtet auf das Überladene und sucht stattdessen nach einem harmonischen Gleichgewicht. 

Architektin DI Dr. Andrea Redi © Nikola Milatovic

Einfache Formen finden sich häufig in diesem Bauansatz, da sie eine ruhige Präsenz ausstrahlen und zugleich die Funktion der Räume auf eine elegante Weise unterstützen. Die Ästhetik des Einfachen wird durch Materialien wie Naturstein, Holz, Glas oder unbehandeltes Metall unterstrichen, die mit einer schlichten, aber raffinierten Oberflächenbehandlung in den Vordergrund treten. Und es gibt jetzt auch noch neue, intelligente Materialien, die die Umgebungsluft reinigen, kühlen, mit Sauerstoff anreichern, solare Energie gewinnen, die in den Gestaltungskanon des „einfachen Bauens“ Aufnahme finden müssen. Eine neue Ästhetik wird daraus hervorgehen.

Aber „einfaches Bauen“ ist weit mehr als nur eine ästhetische Entscheidung – es ist ein integrativer Ansatz, der Funktion, Form und Material in Einklang bringt. Die Architektur, die aus dieser Philosophie hervorgeht, überzeugt durch ihre Klarheit und Präzision, ihre Reduktion auf das Wesentliche und ihre dauerhafte Schönheit. Dabei wird Komplexität erzeugt durch die konsequente Umsetzung einer Designidee, die Funktionalität und Ästhetik in perfekter Balance miteinander  verbindet. Eine Architektur, die in ihrer Schlichtheit beeindruckt und den Raum für das Wesentliche schafft.

Jedes Element im Designprozess wird sorgfältig überlegt, um sowohl funktional als auch ästhetisch sinnvoll zu sein. Der Verlauf von Innenräumen, die Anordnung von Fenstern und Türen, die Wahl der Materialien – all diese Entscheidungen setzen eine direkte Verbindung zwischen der ästhetischen Wirkung des Raumes und seiner praktischen Nutzung. Ein Raum, der zum Beispiel durch große Fenster mit natürlichem Licht durchflutet wird, bietet nicht nur eine angenehme Atmosphäre, sondern sorgt auch für eine natürliche Belichtung und Belüftung.

Einfachheit als Prinzip – die Grundlagen des intelligenten Designs

Der Architekturschaffende ist heute nicht mehr nur ein Baukünstler, der Räume gestaltet, sondern auch ein Akteur im globalen Kontext des Klimaschutzes. Die Philosophie des „einfachen Bauens“ setzt dort an, wo der Entwurf bereits eine Antwort auf ökologischen und gesellschaftlichen Wandel gibt. Zwei wichtige Impulse für diese Richtung kommen von den Designpionieren Michael Braungart und William McDonough, die mit ihrem Konzept der „Cradle to Cradle“-Philosophie (C2C) eine neue Denkweise in die Architekturwelt einbrachten.

Das Konzept von Braungart und McDonough, das auf Kreislauffähigkeit und Wiederverwertbarkeit setzt, wird zunehmend zur Grundlage für nachhaltiges Bauen. Ein „intelligentes Design“ bedeutet hier nicht nur eine funktionale, sondern auch eine ökologische und ressourcenschonende Gestaltung. Materialien werden mit Bedacht ausgewählt, sodass sie später ohne Wertverlust in neue Produkte oder Bauwerke integriert werden können. Dabei geht es nicht nur darum, biologische Materialien zu verwenden, sondern auch die Logistik der Wiederverwertung bereits im Entwurf zu berücksichtigen. Materialien müssen so beschaffen sein, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus nicht zu Abfall werden, sondern in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt werden können.

Wollen wir also das „einfache Bauen“ im Hinblick auf intelligentes Design betrachten. Einfachheit bedeutet nicht Verzicht, sondern Fokus auf das Wesentliche. Jedes Material, jede Konstruktion und jedes Detail trägt zu einem größeren Ziel bei: der Nachhaltigkeit. Aktivhäuser und innovative Fassaden zeigen, dass Architektur nicht nur Gebäude schafft, sondern auch ökologische und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen kann.

Beispiel Aktiv-Haus

Eine Annäherung an solche Prinzipien ist das Aktiv-Haus Nedwed. Die äußere Gestaltung des Hauses geht aus einer einfachen Idee hervor: „Eine Muschel im Hang“ lässt das bestehende Landschaftschutzgebiet großteils umberührt. Die Gebäudehülle integriert aktive Energiegewinnung durch eine dachintegrierte PV-Anlage mit einer Leistung von 13 kW Peak – das Haus produziert mehr Energie als es verbraucht. So wird es zu einem Plus-Energie-Haus. Die solare Heizung erfolgt über eine Erdwärmepumpe, die über die PV-Anlage mit Strom versorgt wird. Der bauteilaktivierte Stiegenkörper kühlt im Sommer und wärmt über gesunde Strahlungswärme im Winter.

Durch den bewussten Umgang mit Ressourcen und die Integration intelligenter Lösungen werden Bauwerke geschaffen, die zukunftsfähig sind und gleichzeitig eine positive Wirkung auf ihre Umgebung haben. Denn das Wesentliche ist nicht nur die Reduktion, sondern auch der Beitrag zum Klimaschutz – und das ist ein Prinzip, das uns alle angeht.

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