Im Cohousing-Projekt Vrijburcht in Amsterdam, das vor fast zwei Jahrzehnten errichtet wurde und 15 Millionen Euro gekostet hat, hat man im Laufe der Jahre wertvolle Lehren gezogen. Menno Vergunst und Johan Vlug, Landschaftsarchitekten und Bewohner von Vrijburcht, teilen ihre Erkenntnisse und nehmen uns mit auf eine Reise zu den Anfängen des Projekts. Vrijburcht, gelegen auf Steigereiland, einer künstlichen Insel in Amsterdam, ist ein gemischt genutzter Cohousing-Komplex, der 2007 fertiggestellt wurde. Dank seines innovativen Konzepts gilt es auch heute noch als State-of-the-Art-Cohousing-Projekt. Menno und Johan, die sowohl am Design als auch am Bau beteiligt waren und zu den ersten Bewohnern gehören, leben und arbeiten seit über 17 Jahren in Vrijburcht und kennen daher die Stärken und Schwächen des Komplexes wie kaum jemand sonst.
Im Jahr 2000 startete die Stadt Amsterdam einen Wettbewerb für kollektive Eigenbauprojekte auf Steigereiland. Eine Gruppe von acht Freunden, angeführt von Architekt Hein de Haan, reichte das Projekt Vrijburcht ein, mit dem Ziel, attraktiven und erschwinglichen städtischen Wohnraum mit kulturellen, sozialen und kommerziellen Annehmlichkeiten zu schaffen. Die Gruppe sicherte sich ein begehrtes Grundstück direkt am Wasser und neben der Fahrradbrücke, die die Insel mit dem Rest von Amsterdam verbindet. Menno und Johan schlossen sich der Truppe an, wobei Menno zum Kassier und Johan zum Vorsitzenden ernannt wurde.
Vrijburcht, gelegen auf Steigereiland, einer künstlichen Insel in Amsterdam, ist ein gemischt genutzter Cohousing-Komplex, der 2007 fertiggestellt wurde.
Das Erfolgsrezept
Sieben Jahre hat es gedauert das Projekt fertigzustellen. Vrijburcht ist tatsächlich zu einer Oase für Stadtbewohner mit 52 privaten Einheiten und zahlreichen gemeinschaftlich genutzten
Einrichtungen wie Werkstatt, Hobbyraum, Gemeinschaftsgarten und Gewächshaus geworden – Café, Restaurant, Theater und Kanuverleih inklusive. Das Projekt hat auch eine soziale Vorbildwirkung und beherbergt neben einer Kindertagesstätte auch „de Roef“, eine Wohneinheit für junge Erwachsene mit geistiger Behinderung.
Die Herausforderungen
Eine so lebendige Umgebung zu schaffen, ist nicht einfach. Die Finanzierung war dabei – wie so oft – eine der größten Herausforderungen. Man hat sich für den Ansatz des kollektiven privaten Auftraggebers (CPO – Collectief Particulier Opdrachtgeverschap) entschieden. Bei diesem Finanzierungsmodell nimmt jedes Mitglied zunächst eine eigene Hypothek auf. Diese Hypotheken werden dann für den Bau des gesamten Komplexes verwendet. Die Teammitglieder gründen selbst eine Baufirma, die den Bau überwacht und mit den Auftragnehmern koordiniert. Nach Abschluss des Projekts wird die Baufirma aufgelöst und die Häuser gehen in das Eigentum der jeweiligen Bewohner über. Allerdings beliefen sich die Planungskosten allein schon auf eine Mio. Euro, was viele der ursprünglichen 90 Mitglieder aufgrund des hohen Risikos zum Ausstieg bewog. Schließlich blieb nur ein Kernteam von zwölf Personen übrig. Crowdfunding war keine Option und Banken waren anfangs nicht bereit, Geld zu leihen. Das Team wandte sich an die niederländische Wohnungsbaugesellschaft de Key, die zustimmte,,nicht zugewiesene Einheiten zu finanzieren und als Vermieter für das Café, die Kindertagesstätte und das Pflegeheim zu fungieren. Im Nachhinein war diese Unterstützung entscheidend für das Überleben des Projekts.

Mehr Mitglieder
Trotzdem war es wichtig, neue Mitglieder zu gewinnen. Auf kleinen Wohnbaumessen buhlte das Team mit Flyern, Broschüren und einem Lächeln um die Besucher. Interessant dabei: Menno konnte oft schon im Laufe der Gespräche vorhersagen, wer bleiben würde. „An den Fragen, die sie dir stellen, erkennst du, ob die Leute bleiben oder nicht. Denn wenn es viele negative Fragen gibt und sie dir nicht vertrauen oder das Gefühl haben, dass sie es nicht im Griff haben, fallen diese Leute immer weg“, sagt er. Die beiden empfanden diesen Prozess der „Selbstselektion“ als wertvoll für das Projekt, da er sicherstellte, dass sie die richtigen Mitglieder an Bord hatten.
Außergewöhnliche Atmosphäre
Die besondere Atmosphäre ist es oft, was Bewohner am meisten an Cohousing-Projekten schätzen. So auch in Vrijburcht. Das Projekt wurde von Freunden gestartet und nahm auch neue Mitglieder
sehr herzlich auf. Johan erinnert sich: „Wir hatten einige Partys und man lernt sich kennen. Es ist merkwürdig, wenn man hier einzieht, denkt man: ‚Es fühlt sich an, als würde ich schon fünf Jahre oder so hier leben‘, weil man sich schon ziemlich gut kennt. Die neuen Nachbarn sind rasch nicht mehr neu.“ Einige ursprüngliche Bewohner verkauften im Laufe der Zeit jedoch ihre Wohnungen. Das Team war sich bewusst, wie neue Bewohner das Projekt beeinflussen könnten, entschied sich jedoch gegen Zugangsbeschränkungen. Die meisten neuen Käufer sind wirklich am Konzept interessiert und bewahren somit die Gemeinschaftsatmosphäre und die Kultur des Teilens. Oft sind es Freunde von Freunden, die einziehen.
Ratschläge aus Vrijburcht
• Ideale Größe: Cohousing-Projekte sollten idealerweise 40–80 Wohneinheiten haben, um eine dorfähnliche Atmosphäre zu bewahren, ohne zu viel Klatsch. „Bei 20 Wohnungen weiß man zu viel übereinander und man fühlt sich schnell nicht mehr wohl“, so Johan.
• Bewohnerbeteiligung: Die Beteiligung der Bewohner in jeder Phase ist nicht einfach, aber entscheidend für den Erfolg.
• Kontinuierlicher Fortschritt: Insbesondere bei langfristigen Projekten ist es wichtig, die Dynamik mit regelmäßigen Updates und Treffen aufrechtzuerhalten.
• Nachhaltigkeit: Zu Beginn von Vrijburcht steckte nachhaltiges Bauen noch in den Kinderschuhen und die Initiatoren entschieden damals, einen stärkeren Fokus auf das soziale Thema zu legen. Wenn sie von vorne anfangen könnten, würden sie mehr Wert auf nachhaltige Baumaterialien legen.

