Neues Arbeiten in Hotel & Gastronomie

Schon über 45 Jahre ist die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung her. Durch technologischen Fortschritt wurde seither in immer kürzerer Zeit immer mehr von den Arbeitnehmer:innen geleistet. Unternehmensgewinne und Arbeitstempo schnellten dadurch nach oben. Die Zeit wäre eigentlich schon längst dafür reif, dass die Arbeitnehmer:innen davon etwas in Form von mehr Freizeit zurückbekommen. Das könnte z. B. auch durch eine Verlängerung des Urlaubs oder mehr freie Tage im Jahr geschehen, aber auch durch die einfachere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche.

Win-win-Situation

Weniger Arbeitszeit kann eine Win-win-Situation für beide Seiten sein. Kürzere Arbeitswochen haben Betriebe, die diese anbieten, nicht in den Ruin geführt: Untersuchungen und Berichte aus ganz Europa zeigen zudem, dass Produktivität und Unternehmensgewinne oft sogar deutlich gestiegen sind. Klar ist aber, eine Arbeitszeitverkürzung kommt für die Gewerkschaften nur bei vollem Lohn- und Personalausgleich in Frage, Mehrarbeit und Überstundenzuschläge fallen früher an. Niemand soll also weniger verdienen und das vorhandene Arbeitsvolumen soll auf mehr Menschen aufgeteilt werden. Der sinnvollste Weg dazu wäre, die entsprechenden Regelungen in den Kollektivverträgen zu vereinbaren.

Spitzenzeiten mit ausrei- chender Personalvorsorge und guter Dienstplan- erstellung abdecken.

Tusch einen Mix aus mehreren Maßnahmen für wichtiger: Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung müssen insgesamt verbessert werden. So hat die vida mit den JUFA-Hotels für ihre 2.000 Beschäftigten einen eigenen Kollektivvertrag (KV), den sogenannten Zukunfts-KV, abgeschlossen. „Wir verstehen diesen KV als innovatives Modell und auch als Vorbild für und Forderung an die gesamte Branche“, erläutert Tusch.

Lang gehegte Wünsche erfüllt

So beinhaltet der Zukunfts-KV für die Mitarbeiter:innen Sonntags- und Nachtzuschläge, ein garantiertes freies Wochenende im Monat, höhere Lehrlingsentschädigungen sowie deutliche Gehaltserhöhungen für Fachkräfte nach mehreren Arbeitsjahren. Beschäftigte erreichen künftig wesentlich schneller die sechste Urlaubswoche, nämlich nach 16 Dienstjahren, schon nach zwölf Dienstjahren sind es drei zusätzliche Urlaubstage. Außerdem gibt es einen Zuschlag für Sonntagsarbeit. „Wie wir aus zahlreichen Gesprächen mit Beschäftigten wissen, sind all diese Verbesserungen lang gehegte Wünsche der Kolleg:innen“, freut sich der vida-Gewerkschafter.

Die Gewerkschaft vida setzt auf Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung durch den Zukunfts-Kollektivvertrag mit den JUFA Hotels für 2.000 Mitarbeiter:innen. © Adobe Stock

Gut organisiert sein

Immer wieder steht auch die Frage im Raum, wie das mit weniger Arbeitszeit funktionieren soll, wo doch ohnehin Personalmangel herrscht und in der Gastronomie Spitzenzeiten abgedeckt werden müssen? Betriebe aus anderen Branchen zeigen aber vor, wie das funktionieren kann: mit ausreichender Personalvorsorge und guter Dienstplanerstellung. Auch Betriebe im Bereich der Gastronomie, die ihren Mitarbeiter:innen gute Bedingungen bieten, haben allgemein keine Probleme mit Abwanderung der Beschäftigten in andere Branchen bzw. damit ausreichend Personal zu finden und dieses an den Betrieb zu binden, weiß Tusch.

Für die Jungen attraktiver werden

Gerade für junge Menschen muss das Arbeiten im Hotel- und Gastgewerbe wieder attraktiver gemacht werden. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) über die Arbeitsbedingungen im Tourismus liefern erneut niederschmetternde Ergebnisse: Das Einkommen liegt im Branchenvergleich an letzter Stelle. Es gibt häufig schlechtes Arbeitsklima. Überstunden werden nicht oder nicht vollständig abgegolten. Die Anmeldung bei der Sozialversicherung erfolgt falsch oder gar nicht, unregelmäßige Arbeitszeiten am Abend, in der Nacht oder am Wochenende sind üblich. Die Dienstpläne werden zu kurzfristig erstellt, die Freizeit ist nicht planbar, um nur die von den Beschäftigten bei der Studie am häufigsten genannten Missstände zu nennen. „Da ist unschwer erkennbar, dass Arbeitszeitverkürzung allein in der Branche nicht reichen wird, um motivierte und gut ausgebildete junge Menschen anzulocken“, bekräftigt Tusch.

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