Die moderne Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel, der von unterschiedlichen Vorstellungen über Arbeit und Einstellungen der Generationen geprägt ist. Das Aufeinanderprallen von Tradition und Innovation, von langjähriger Erfahrung und neuen Perspektiven hat eine Debatte über die Arbeitskultur entfacht. Die New-Work-Expertin Sandra Bascha zeigt die Hintergründe dieser Konflikte auf und teilt wertvolle Impulse, wie das Zusammenspiel der Generationen in Zukunft funktionieren kann.
Welche grundlegenden Veränderungen lassen sich in der modernen Arbeitswelt beobachten?
Die Arbeitswelt befindet sich in einem riesengroßen Transformationsprozess. Dieser ist auf mehrere Komponenten zurückzuführen: Generationenwechsel, Digitalisierung und Einsatz von künstlicher Intelligenz sowie die prinzipielle Haltung zur Arbeit und deren Stellenwert im Leben der Menschen. Insgesamt sind das, wenn man die Situation richtig beurteilt und die Transformation akzeptiert, große Chancen für alle Stakeholder der Arbeitswelt.
Unternehmenskultur und Individuum müssen zusammenpassen, um erfolgreich und miteinander zu agieren.
Das zentrale Element von New Work ist die rasant voranschreitende Digitalisierung, die viele Entwicklungen bedingt wie etwa ortsunabhängiges Arbeiten oder die Möglichkeit für mehr Partizipation oder Kollaboration. Der Fachkräftemangel ist keine mediale Fantasie, sondern Realität. Das führt dazu, dass wir uns intensiv mit der kulturellen Transformation auseinandersetzen müssen. Unternehmenskultur und Individuum müssen zusammenpassen, um erfolgreich und miteinander zu agieren. Dieses Bewusstsein muss geschärft werden – bis hin zu dem Punkt, an dem Unternehmen ihre Recruitingstrategien überdenken müssen.
Gleichzeitig scheint die Vorstellung von Arbeit als reiner Pflichterfüllung heute ausgesprochen antiquiert. New Work ist im Arbeitsalltag angekommen. Homeoffice, mehr Flexibilität oder neue Führungsmethoden waren vor drei Jahren oft noch eine Seltenheit, heute sind sie – wenn noch nicht umgesetzt – zumindest im Arbeitsalltag diskussionsfähig.
Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Prägungen der Babyboomer, Gen X, Gen Y und Gen Z in Bezug auf die Arbeitsmoral?
Aktuell sind vier Generationen im aktiven Arbeitsleben – das ist ein spannendes Miteinander, das auch die unterschiedlichen Haltungen illustriert. Die Babyboomer verlassen aktuell sukzessive die Arbeitswelt – in Deutschland geht man zum Beispiel davon aus, dass es rund 1.000 Beschäftigte pro Tag sind.
Die den Babyboomern nachfolgenden Generationen haben die Wahl – und sie sind wählerisch, stellen häufig die Sinnfrage und wollen einen Job, der zu ihnen und ihrem Lifestyle passt (und nicht umgekehrt). (Potenzielle) Mitarbeiter:innen sind die König:innen – als solche sollten sie auch von den Unternehmen behandelt werden. Das ist die Erwartungshaltung der Generation Y und Z. Das heißt: rasche und transparente Kommunikation, moderne HR-Prozesse, ein echter Candidate Journey – und danach natürlich eine Arbeitswelt bzw. ein Job, der die Erwartungen der Beschäftigten erfüllt und in dem sie sich wohlfühlen. Dann stimmt auch die Leistung.
Ist die Jugend wirklich so faul geworden oder arbeitet sie lediglich effizienter?
Die Haltung zur Arbeit hat sich verändert, nicht aber die Leistungsbereitschaft. Für die Generation Y und die Generation Z sind andere Rahmenbedingungen und Kriterien wichtig – wie erwähnt. Sie wollen einen Job, der zu ihnen passt, der Sinn macht und der sich mit ihrem Leben vereinbaren lässt. Unternehmen, die das verstehen und sich auf die Zukunft der Arbeit einstellen, werden auch Arbeitskräfte finden.
Die nachfolgenden Generationen haben eine andere Haltung: Sie wollen arbeiten, sind zu Leistung bereit, aber stellen viel häufiger die Sinnfrage.
Für viele ältere Generationen ist die Arbeit der Mittelpunkt des Lebens. Ist das noch zeitgemäß?
Die Babyboomer, aber auch noch die Generation X (wir erinnern uns an die Yuppies) haben viel-fach der Arbeit bzw. ihren Jobs oberste Priorität im Leben eingeräumt – und tun das nach wie vor. Die nachfolgenden Generationen haben eine andere Haltung: Sie wollen arbeiten, sind zu Leistung bereit, aber stellen viel häufiger die Sinnfrage. Auch wird Arbeit als die Summe der Tätigkeiten gesehen – d. h. nicht nur bezahlte
Erwerbsarbeit, sondern auch Care-Arbeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Es geht um die Definition des Begriffs Arbeit, der sich transformiert wie die gesamte Arbeitswelt.
Woher kommt die hohe Arbeitsmoral der Babyboomer und wieso ändert sich dieser Trend im Moment?
Ich glaube, wir müssen uns von dem Begriff der Arbeitsmoral, wie er von den Babyboomern geprägt wurde, lösen. Rahmenbedingungen und Haltungen ändern sich und es wäre unfair, die jüngeren Generationen mit den Kriterien der älteren zu beurteilen. Die aktuellen Änderungen in der Arbeitswelt sind gekommen, um zu bleiben.
Welche Rolle spielt hierbei vielleicht auch die Erwartung an „Arbeitsplatz-loyalität“? Ist diese bei jungen Menschen geringer?
Die Erwartung an die Arbeitsplatzloyalität wird meist von Menschen geprägt, die noch andere, meist antiquierte Wertvorstellungen haben. Die Zeiten, in denen Arbeitnehmer ein halbes oder ganzes Leben lang bei einem Unternehmen beschäftigt waren bzw. sind, sind vorbei. Dennoch bin ich überzeugt, dass junge Menschen eine hohe Arbeitsplatzloyalität haben – wichtig ist hier für viele Arbeitnehmer:innen aber, dass die Unternehmenskultur und die individuellen Werte zusammenpassen.
Wie kann die Wirtschaft künftig funktionieren, wenn die Nachfrage nach Urlaub und Freizeit weiterhin so ansteigt?
Effizienz ist hier wohl der Schlüssel. Dank Entwicklungen wie der Digitalisierung steigt die Produktivität kontinuierlich und Menschen schaffen in vielen Berufsgruppen in weniger Zeit mehr Output. Wichtig ist es, die definierte Arbeitszeit bestmöglich zu nutzen.
Wie kann bei berufsbedingten Generationenkonflikten mehr Verständnis füreinander geschaffen werden?
Ich glaube, die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie kann zu mehr Verständnis führen. Generationenkonflikte sind nichts Neues – es ist allerdings nicht notwendig, dass sie immer wieder passieren. Zusätzlich braucht es auch in Hinblick auf die verschiedenen Generationen eine gewisse Diversitätskompetenz. Wir alle sind unterschiedlich und genau diese Unterschiedlichkeit kann z. B. in Unternehmen auch zu mehr Erfolg führen – wir müssen allerdings lernen, mit diesen Unterschieden umzugehen.
Die Zeiten, in denen Arbeitnehmer ein halbes oder ganzes Leben lang bei einem Unternehmen beschäftigt waren bzw. sind, sind vorbei.
Denn genau diese Unterschiede sind die große Stärke von Unternehmen. Sie sorgen für unterschiedliche Blickwinkel und helfen dabei, unterschiedliche Kunden zu verstehen. Um kollaborieren zu können und das volle Potenzial im Unternehmen auszuschöpfen, ist es daher wesentlich, mit diesen Unterschiedlichkeiten umgehen zu können.
Wenn man Diversität also nicht als Ausnahme betrachtet und gezielt Teams mischt, fördert dies die Innovationskraft und damit die Wettbewerbsfähigkeit.
Trainieren kann man das durch viel Selbstreflexion, Team-Workshops, das Auseinandersetzen mit unbewussten Vorurteilen – wie viele Kompetenzen kann man das lernen und trainieren. Trainieren durch Reflektieren.
