Work-Life-Balance

Wie würden Sie den Begriff Work-Life-Balance definieren und welche Bedeutung hat er in der heutigen Arbeitswelt? Wäre nicht der Begriff Work-Life-Blending möglicherweise passender?

Die Work-Life-Balance beschreibt den Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben. Allerdings ist die Bezeichnung „Balance“ möglicherweise irreführend, da sie impliziert, dass Arbeit und Leben zwei getrennte Aspekte sind, die in einer Art Gleichgewicht gehalten werden müssen. In Wirklichkeit sind Arbeit und Leben miteinander verwoben und nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Flexible Arbeitszeiten und -modelle sind üblicher geworden, wodurch die Qualität der Arbeitszeit an Bedeutung gewinnt. Sie sollte produktiv sein und das Wohlbefinden fördern, ohne die Freizeit negativ zu beeinflussen. Das Konzept des Work-Life-Blending unterstreicht diese Verschmelzung von Arbeit und Leben deutlich besser. Flexibilität ist entscheidend, aber nicht alle Berufe bieten diese gleichermaßen. Die Herausforderung liegt darin, Modelle zu entwickeln, die Mitarbeiter:innenbedürfnisse erfüllen und zugleich Produktivität und Wohlbefinden fördern.

In Wirklichkeit sind Arbeit und Leben miteinander verwoben und nicht immer klar voneinander abzugrenzen.

Ist das also ein Luxusproblem einer sehr kleinen Gruppe? Viele Menschen haben nicht das Privileg, sich über so etwas überhaupt Gedanken zu machen.

In herkömmlichen Branchen wie dem Gesundheitswesen oder dem Einzelhandel fehlt es oft an flexiblen Arbeitszeiten für eine Work-Life-Balance. Während der COVID-19-Pandemie wurde Homeoffice eher privilegierten Berufen zugestanden, während Mitarbeiter:innen im Einzelhandel oder Gesundheitswesen mit physischer Präsenz arbeiteten. Verkäufer:innen haben möglicherweise weniger Optionen für Work-Life-Balance als Menschen in besser bezahlten Berufen. Bildung und sozioökonomischer Status beeinflussen die Wahrnehmung von Work-Life-Balance. Arbeitgeber:innen sind aber zunehmend gezwungen, echte Maßnahmen für eine ausgewogene Work-Life-Balance umzusetzen, um Mitarbeiter:innen zu halten.

Welche Risiken und Nachteile sindmit der Idee der Work-Life-Balance insbesondere in Bezug auf die ständige Erreichbarkeit verbunden? Ist diese weit verbreitete Vermischung gesund?

Das Work-Life-Blending mit seiner ständigen Erreichbarkeit und Flexibilität kann belastend sein, da man nie wirklich abschaltet. Neue psychische Anforderungen wie Zeitmanagement und Flexibilität beeinflussen das Arbeitsleben maßgeblich. Die Entscheidung, wann und wo zu arbeiten ist, obliegt nun uns selbst. Diese neuen Herausforderungen erfordern Selbstmotivation und -disziplin, da wir nun, im Gegensatz zu früheren Generationen, selbst für unsere Arbeitszeiten und -orte verantwortlich sind. Das kann die psychische Gesundheit beeinträchtigen.

Univ.-Prof. Dr. Christian Korunka befasst sich mit Veränderungsprozessen in der Arbeitswelt und leitet den Arbeitsbereich „Arbeits- und Organisationspsychologie“ an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. © Georg Wilke

Welche Rolle spielen flexible Arbeits-modelle wie Remote-Arbeit und Teilzeitarbeit bei der Gestaltung einer ausgewogenen Work-Life-Balance?

In den letzten Jahren haben flexible Arbeits-modelle an Bedeutung gewonnen, besonders durch die Beschleunigung während der COVID-19-Pandemie. Vorher gab es Remote-Arbeit und Teilzeitjobs nur in begrenztem Umfang. Die Pandemie zwang Unternehmen und Angestellte dazu, diese Modelle zu übernehmen, was zu einem Lernprozess führte. Es wurde klar, dass Remote-Arbeit und Teilzeitjobs die Work-Life-Balance fördern können, indem sie Flexibilität ermöglichen und Arbeit und Privatleben besser vereinbar machen. Allerdings gibt es auch Herausforderungen bei der vollständigen Entgrenzung von Arbeit und Privatleben. Die meisten Firmen tendieren zu einer hybriden Arbeitsweise, die persönliche und Remote-Arbeit kombiniert.

Unterschiedliche Generationen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche an die Work-Life-Balance.

Inwieweit sind Unternehmen in der Lage und bereit, die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter:innen tatsächlich zu fördern? Stehen die Arbeitgeber:innen in der Verantwortung oder liegt es wirklich an den Arbeitnehmer:innen, sich zu organisieren?

Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen streben oft unterschiedliche Ziele an, doch ein kooperativer Ansatz zur Schaffung individueller Arbeitsbedingungen kann beide Seiten zufriedenstellen. Arbeitgeber:innen priorisieren oft Produktivität, während Arbeitnehmer:innen gute Arbeitsbedingungen und Zufriedenheit suchen. Allerdings kann beides erreichbar sein, da zufriedene Mitarbeiter:innen oft auch produktiver sind. Dabei spielen Lebensphasen eine wichtige Rolle, da die Bedürfnisse in verschiedenen Lebensabschnitten variieren. Idealerweise schaffen Arbeitgeber:innen Rahmenbedingungen für Flexibilität und treffen dann individuelle Vereinbarungen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen entsprechen.

Inwiefern beeinflussen Dynamiken im Unternehmen und Generationenunterschiede die Betrachtung von Work-Life- Balance?

Unterschiedliche Generationen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche an die Work-Life-Balance. Es wird angenommen, dass jüngere Generationen mehr Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legen und dieses Thema stärker betonen als ihre älteren Kolleg:innen. Oft wird das durch die unterschiedlichen Lebensphasen begründet. Häufig wird jedoch deutlich, dass die jeweiligen Generationen, trotz unterschiedlicher Lebenserfahrungen und Prioritäten, oft ähnliche Anforderungen an Arbeit und Berufstätigkeit haben. Der Unterschied zwischen den Generationen ist möglicherweise nicht so groß, wie oft angenommen wird.

Was kann man tun, wenn man das Gefühl hat, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben stimmt nicht mehr?

Verschiedene Techniken des Zeitmanagements können helfen, Ablenkungen zu minimieren und die Produktivität zu steigern. Es ist auch hilfreich, bewusst Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu setzen sowie bewusste Pausen einzulegen und sich von Arbeitsgeräten zu distanzieren. Selbstregulation durch gezieltes Training der Selbstkontrolle und Fokussierung auf Aufgaben kann helfen, den modernen Arbeitsanforderungen besser zu begegnen.

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