Klimawandel und Tourismus

Chance für Neustart.

Der Faktor Mensch ist der Schlüssel zur Zukunft.

Im Gespräch mit Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida. 

Klimawandel, kürzere Wintersaisonen, werden die Gäste ausbleiben?

Die Klimaerwärmung wird auch den Tourismus-und die Hotellerie samt ihren Mitarbeiter:innen vor neue Herausforderungen stellen. Niedrig gelegene Skigebiete könnten schließen müssen, was nicht nur die Betriebe, sondern auch die Beschäftigten hart treffen würde. In höheren Lagen wird es den Wintertourismus hingegen weiterhin geben, Flexibilität ist dabei wichtig. Einige Betriebe schwenken bereits um und setzen auf neue Angebote, um Gäste anzulocken und zu binden.

Auf Gewohntes wird man sich nicht mehr verlassen können.

Verändern wird die Klimaerwärmung aber zumindest die gewohnte und wichtige Wintersaison: Bisher war der Winter für viele Betriebe der Retter des gesamten Geschäftsjahres. Doch der Schnee schmilzt immer schneller und schneller. Auf Gewohntes wird man sich nicht mehr verlassen können. Aber jede Krise bietet auch neue Chancen. Um diese nutzen zu können, bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen.

Ist der heimische Tourismus also regional schon gefährdet?

Wer Ski fahren will, wird das weiterhin machen können. Damit das so bleibt, erfordert das aber gesonderte Rahmenbedingungen hinsichtlich des Klimaschutzes sowie spezielle soziale Standards für die Branchenbeschäftigten. Da es bestimmte Skiregionen nicht mehr geben könnte, braucht es jede Menge Ideen und Konzepte, mit denen Gastronomie und Beherbergungsbetriebe samt ihren Arbeitsplätzen weiter wirtschaftlich bestehen können. Ich kann mir etwa eine Ausweitung des Wandertourismus vorstellen, wenn die Wintersaison aufgrund klimatischer Veränderungen statt fünf nur mehr zwei Monate dauern sollte.

Stichwort Arbeitskräftemangel, wie ist er zu beheben?

Von den über 230.000 Beschäftigten verlässt allein rund die Hälfe nach der Saison Jahr für Jahr die Branche. Das sagt auch viel über vorherrschenden Arbeitsbedingungen aus. Um die Arbeitsbedingungen zur Eindämmung der hohen Personalfluktuation zu verbessern, fordern wir als einen Schritt die Gründung sogenannter Tourismuskassen. Damit könnten etwa Urlaubsansprüche abgedeckt werden. Die Mitarbeiter:innen könnten diese dann bei einem Jobwechsel wie einen Rucksack via Tourismuskasse mitnehmen. Für die Unternehmen würde das zudem eine finanzielle Entlastung bringen, da sie Rückstellungen für Urlaubsansprüche umgehend auflösen könnten. Als Startkapital für die Tourismuskassen müssten zu Beginn rund 200 Millionen Euro von der öffentlichen Hand kommen. In der Folge müssten sich die Betriebe schrittweise an der finanziellen Ausgestaltung der Kassen beteiligen.

Viele Beschäftigte müssen sich mit einem besseren Besenkammerl abfinden.

Die Arbeitgeber werfen Ihnen oft Bashing vor?

Man sollte nichts schönreden, die Arbeitsbedingungen passen einfach vielfach nicht. Zwischen Überstunden und Teildiensten morgens und abends, Arbeitsverdichtung und Dienstplanunsicherheit hat man kein Leben mehr neben dem Beruf. Darüber hinaus sind die Löhne zu niedrig, was ebenfalls zum Arbeitskräftemangel beiträgt. Oft ist auch die Unterbringung beim Arbeitgeber auf Saison nicht ideal: Viele Beschäftigte müssen sich mit einem besseren Besenkammerl abfinden. Auch die mangelnde Flexibilität vieler Arbeitgeber in der Branche ist eine Ursache des Personalmangels. Wenn jemand nur 20 Stunden arbeiten will, wird er sich schwertun, im Tourismus eine Arbeit zu finden. Auch hier wäre mehr Kooperationsbereitschaft der Wirtschaftskammer nötig, um mit uns Lösungen zu entwickeln.

Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Wie gesagt, durch die klimabedingte Verkürzung der Wintersaison werden zukünftig neue Beschäftigungsmodelle immer interessanter. Eine höhere Bereitschaft der Arbeitnehmer:innen zu mehr Flexibilität könnte beispielsweise mit der Auszahlung eines Flexibonus honoriert werden. Nichts zu tun und nur über den Personalmangel zu jammern, ist die denkbar schlechteste Option. Der Faktor Mensch muss verstärkt berücksichtigt werden. Um Beschäftigte mit Familie in Zukunft im Tourismus zu halten und Menschen für die Tourismusberufe zu begeistern, braucht es mehr Wertschätzung in Form von besserer Bezahlung und neuen Beschäftigungsangeboten. Denn nur die wenigsten sind bereit, wegen einer Arbeit den Wohnort zu wechseln, etwa von Wien nach Tirol zu ziehen, wie dies das AMS immer wieder fordert. Das wird auch in Zukunft nicht funktionieren. Denn niemand wird für eine relativ kurze Saisonzeit gleich seinen Lebensmittelpunkt verlagern und eine Wohnung im Wintersportort suchen, die ihn zusätzlich Miete kostet.

Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida. © Stefan Joham

Nur über Personalmangel zu jammern, ist die denkbar schlechteste Option.

Wir müssen alles daransetzen, um zufriedene und gesunde Mitarbeiter:innen in der Branche zu halten und zu bekommen. Begeisterte und gut erholte Gäste werden es den Betrieben und ihren Beschäftigten danken und sie werden wiederkommen. Unterm Strich also eine Win-win- Situation für alle!

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