Gesund(es) Leben als Ziel menschlichen Handelns – denn gesund zu sein und sich wohlzufühlen, danach strebt jeder von uns. Die WHO spricht längst von einem Grundrecht jedes Menschen auf einen bestmöglichen Gesundheitszustand. Doch ist uns allen klar, dass Gesundheit ein wahres Luxusgut ist?
Wie funktioniert das österreichische Gesundheitssystem?
Das österreichische Gesundheitssystem ist komplex und fragmentiert. Die Zuständigkeiten verteilen sich auf die Bundes- und Landesebene. Viele Aufgaben sind an die Selbstverwaltungs-organe wie Sozialversicherung und Berufsverbände von Gesundheitsdienstleistern delegiert. Die Finanzierung des Systems ist geteilt, wobei Bund, Länder sowie die Sozialversicherungsträger zu unterschiedlichen Teilen zum Budget beitragen.
Die österreichische Wohnbevölkerung ist beinahe flächendeckend (99,9 Prozent) krankenversichert. Zwischen den Krankenversicherungsträgern findet kein Wettbewerb statt, die Zuordnung zu einem Versicherungsträger erfolgt nämlich gesetzmäßig über den Beschäftigungsort oder die Art der Beschäftigung.
Der Gesundheitssektor ist ein bedeutender Wirtschaftszweig in Österreich und sehr kostenintensiv.
Wer bezahlt unser Gesundheitssystem?
Der Gesundheitssektor ist ein bedeutender Wirtschaftszweig in Österreich und sehr kosten-intensiv. Im Jahr 2015 betrugen die gesamten Gesundheitsausgaben 49.128 Millionen Euro. Im Jahr 2015 wurden pro Kopf ca. 4.713 Euro für Gesundheit ausgegeben, was über dem EU-Durchschnitt liegt.
Mehr als 75 Prozent der gesamten derzeitigen Gesundheitsausgaben werden durch einen Mix aus allgemeinen Steuereinnahmen und Pflichtbeiträgen der sozialen Krankenversicherung finanziert. Die Krankenversicherungsbeiträge stellten den größten Teil der Einnahmen dar und deckten im Jahr 2015 44,8 Prozent der laufenden Gesundheitsausgaben und 60 Prozent der laufenden öffentlichen Ausgaben.
Einnahmen aus Steuern stellen die zweit-größte Finanzierungsquelle dar. Sie beliefen sich im Jahr 2015 auf 30,8 Prozent der Gesamtausgaben und 40 Prozent der öffentlichen Ausgaben. Darin sind Zahlungen des Bundes, der Länder oder der Gemeinden für die intramurale Versorgung und die Langzeitpflege, die öffentliche Gesundheit und Prävention sowie Beiträge an Krankenversicherungsträger für Arbeitslose und Wochengeld enthalten. Private deckten im Jahr 2015 als drittgrößte Einnahmequelle ein Viertel der laufenden Gesundheitsausgaben.

Pflegepersonal fehlt
Im Gesundheits- und Sozialwesen sind rund zehn Prozent aller unselbstständig Erwerbs-tätigen in Österreich beschäftigt, das macht dieses zum drittgrößten Beschäftigungssektor. Ein Geschlechtergleichgewicht gibt es hier jedoch nicht – der Gesundheitssektor ist weiblich. Im Jahr 2016 lag der Anteil an Frauen, die im Gesundheits- und Sozialwesen tätig waren, bei mehr als 75 Prozent.
Die Pflegepersonaldichte in Österreich ist verhältnismäßig niedrig und auch die Gesamtzahl an Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe ist im Vergleich zur Gesamtzahl an Ärzten gering. Die Migration von Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe und Betreuungskräften spielt daher besonders im Langzeitpflegesektor eine wichtige Rolle. Etwa 30 Prozent der in der häuslichen Pflege tätigen Personen in Österreich wurden im Ausland, vorwiegend in Rumänien und der Slowakei, geboren.
Wir wissen heute schon, dass es sowohl zu einer Zunahme von pflegebedürftigen Personen kommen wird als auch zu einem Rückgang von familiären Betreuungsressourcen. Um eine qualitativ hochwertige Pflege gewährleisten zu können, müssen alle Einrichtungen nicht nur auf eine Planung zur zukünftigen Deckung des Personalbedarfs setzen, sondern schon heute in die Bildung von Personen in dieser Berufsgruppe investieren.
Wir sollten die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um das Pflege- und Betreuungspersonal zu unterstützen.
Altersstruktur der Pflege- und Betreuungspersonen
Aus Erhebungen für die Studie des Bundesministeriums wird ersichtlich, dass rund zwei Drittel der Pflege- und Betreuungspersonen über 50 Jahre alt sind und in rund zehn Jahren wahrscheinlich in Pension gehen. Doch welche Maßnahmen sollten in diesem Bereich gesetzt werden, um den Pflegeberuf attraktiv zu machen und auch den Personalbedarf zu decken? Der Pflegeberuf muss durch Informationsveranstaltungen, Praktika und Schnuppertage attraktiv gestaltet und beworben werden. Eine weitere Maßnahme wäre es, ausländischem Personal den Berufseinstieg zu erleichtern und auch unterschiedliche Zielgruppen konkret anzusprechen.
Die Ausbildungsplätze müssen zudem innovativ geplant werden, um die Drop-out-Raten währendder Ausbildung zu senken, lebensphasenge-rechtes Arbeiten zu ermöglichen und neue Betreuungs- und Versorgungsarrangements zu entwickeln. Zusätzlich sollte eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zur Unterstützung des Pflege- und Betreuungspersonals stattfinden und die Potenziale betreffend künstlicher Intelligenz im Bereich der Pflege genutzt werden.
Ein System, das kränkelt
Das österreichische Gesundheitssystem ist auf die Behandlung bereits eingetretener Erkrankungen ausgelegt und investiert einen relativ ge-ringen Prozentsatz seines Budgets in die Prävention. Die Krankenversicherungsträger geben für die medizinische Vorsorge rund 122 Millionen Euro aus.
Die Gesundenuntersuchung, bei der lediglich einige Fragen zur Lebensweise gestellt und simple körperliche Untersuchungen vorgenommen werden, erlaubt vielleicht eine grobe Einschätzung des Erkrankungsrisikos, frühzeitige Diagnosen werden damit aber in den seltensten Fällen gestellt.
Eine Statistik von Statista aus dem Jahr 2023 sagt aus, dass nur die Hälfte der Bevölkerung einmal pro Jahr überhaupt eine Vorsorgeuntersuchung wahrnimmt. Erschreckend, aber wahr – rund 21 Prozent geben an, noch nie bei einer Vorsorgeuntersuchung gewesen zu sein. Dabei sind die Kosten für die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen wesentlich höher als regelmäßige, ganzheitliche Vorsorgeuntersuchungen.
Während die Lebenserwartung immer weiter zunimmt, erkranken zugleich mehr und mehr Menschen an Krankheiten, die durch einen ungesunden Lebensstil verursacht werden. Neben dem persönlichen Leid der Betroffenen und ihrer Familien belasten die Pflege- und Gesundheitskosten für all diese Menschen das ohnehin schon stark strapazierte Gesundheitssystem noch weiter. Drastisch ausgedrückt setzen wir durch Alkohol, Nikotin, ungesunde Ernährung, wenig Bewegung und Stress unsere Gesundheit aufs Spiel und vertrauen darauf, dass das österreichische Gesundheitssystem den „Schaden“ übernehmen und so gut es geht reparieren wird.
Risikofaktoren
Es ist nachgewiesen, dass ein beachtlicher Teil der Erkrankungen aufgrund externer Einflüsse entsteht. Viele Faktoren haben im Zusammenspiel dazu geführt, dass sich einige Zivilisationskrankheiten in der Gesellschaft etabliert haben. Diese Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Herz- und Gefäßkrankheiten oder Krebs finden ihre Ursache häufig in:
Überernährung/Fehlernährung: Laut dem europäischen Adipositas-Report der WHO sind 54,3 Prozent der erwachsenen Österreicher:innen (61,8 Prozent der Männer, 46,8 Prozent der Frauen) übergewichtig oder adipös.
Nikotin: Zurzeit rauchen in Österreich rund 24,3 Prozent der Bevölkerung täglich, das bedeutet einen Raucher:innenanteil von 1,76 Millionen Menschen. In Österreich sterben jährlich 14.000 Menschen an tabakbedingten Krankheiten. Rauchen ist der größte vermeidbare Risikofaktor für unzählige Krankheiten.
Alkohol: 71 Prozent der Österreicher:innen trinken Alkohol in geringen Mengen. 15 Prozent pflegen einen „mittleren Alkoholkonsum“ und zehn Prozent haben einen „problematischen Alkoholkonsum“. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung sind alkoholabhängig, das bedeutet rund 378.000 Menschen sind süchtig. Die Dunkelziffer dürfte dabei jedoch deutlich höher liegen.
Umweltgifte: Fast ein Viertel aller Todesfälle weltweit wird mit gesundheitsschädlichen Umwelteinflüssen in Zusammenhang gebracht – und zwar solchen, die der Mensch selbst beeinflussen kann. Dazu gehören: Folgen des Klimawandels, Luftverschmutzung, unzureichende Qualität der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Belastung durch Chemikalien, Strahlung, Lärm, ungesunde Rückstände in der Nahrung aufgrund gesundheitsschädlicher Anbaumethoden sowie Gesundheitsund Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz und im Wohnumfeld.
Eine der häufigsten Folgen dieser Faktoren ist Krebs. Bezogen auf die österreichische Gesamtbevölkerung machten an Krebs erkrankte Personen vier Prozent aus. Diese Personen hatten insgesamt rund 404.933 Tumore. In den vergangenen zehn Jahren nahm die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen von rund 39.000 auf etwa 42.000 zu. Dementsprechend steigt die Anzahl der mit Krebs lebenden Personen seit Jahren kontinuierlich an. Bei etwa der Hälfte aller 2019 diagnostizierten Fälle waren Brust, Prostata, Darm oder Lunge betroffen.
Gesunde Eigenverantwortung
Die Bereitschaft der Bevölkerung, selbst Verantwortung für ihre Gesundheit und ihr persönliches Wohlbefinden zu übernehmen, steht im Zentrum der kommenden Jahrzehnte. Nur wer sich für seinen Körper verantwortlich fühlt, nutzt Vorsorgeuntersuchungen, medizinische Überwachungstechnik, achtet auf einen gesunden Lebensstil und interessiert sich für Neuigkeiten aus der Gesundheitswelt.
Den Österreicher:innen muss klar gemacht werden, welche medizinischen Leistungen mit welchem Aufwand und welchen Kosten verbunden sind, damit unverantwortliches Verhalten tatsächlich gesundheitliche Konsequenzen hat. In Zukunft wäre es denkbar, dass es zu Zuzahlungen für Medikamente und medizinische Leistungen kommt, wenn man beispielsweise die Vorsorgeuntersuchungen nicht absolviert. Denkbar wäre auch, dass die Behandlungskosten für leichte Erkrankungen wie Schnupfen oder Husten selbst zu tragen sind. Nur so kann das Defizit der Kranken-kassen langfristig ausgeglichen werden. Nur wenn wir es in Österreich schaffen, dass sich die Menschen für ihre eigene Gesundheit zuständig fühlen, ist eine nachhaltige Reform des Gesundheitswesens möglich.