Wo Menschen zusammenleben, herrscht vermehrt Konfliktpotenzial. Beim Wohnen macht die Unmöglichkeit den Abstand zu vergrößern Konflikte oft unerträglich. Egal, ob in Miet- oder Eigentumswohnung oder im Einfamilienhaus. Anders als bei einem Disput mit flüchtigen Bekanntschaften im Supermarkt sitzt einem der Störer direkt vor der Nase oder räumlich gesehen im Nacken. Ein Entkommen ist unmöglich. Darum zermürben Konflikte mit den Nachbarn besonders stark, betreffen sie doch unseren höchstpersönlichen Lebensbereich, über den man selbst allein herrschen möchte. Manch einem nehmen solche Zwistigkeiten die Freude am eigenen Zuhause, anderen scheinen solche Konflikte eine wahre Freude zu sein. Es stellt sich bei den Betroffenen die Frage: Was kann ich von wem verlangen und was habe ich wann zu dulden? Wann kann und muss ich mich (rechtzeitig) wehren?
„Die häufigsten Beschwerden richten sich gegen Lärmbelästigung.“
Teppichklopfen, Musik, Hundegebell, Geruchsbelästigung durch Kettenraucher und smokende Hobbygriller, auch die optische Gestaltung des Balkons erhitzen immer wieder die Gemüter. Die häufigsten Beschwerden richten sich gegen Lärmbelästigung. Was für den einen schöne Musik ist, wird für den anderen zur unerträglichen Zwangsbeschallung. Auch vom Nachbarn ausgehende Immissionen wie herabtropfendes Blumenwasser, herabfallende Blätter und sich ausdehnende Bepflanzung werden als Belästigung empfunden. Generell gilt: Von einer unzumutbaren ortsunüblichen Beeinträchtigung, die nicht hinzunehmen ist und einen Unterlassungsanspruch rechtfertigt, ist dann zu sprechen, wenn der Wohnbereich eines anderen wesentlich beeinträchtigt wird und dabei auch das Maß der ortsüblichen Nutzung überschritten wird. Als Maß für Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit wird vom Gericht auf die Verhältnisse im näheren Wohnbereich abgestellt. Die Ortsüblichkeit kann sich mit der Zeit aber auch wandeln, wenn Veränderungen eine längere Zeit hindurch widerspruchslos geduldet werden.
Bei Inanspruchnahme von Flächen und Gebäudeteilen außerhalb der Miet- und Eigentumswoh-nung setzt das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) und das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) Grenzen. Eine Verwendung und Veränderung solcher „allgemeinen Teile“ ist in der Regel nur mit Zustimmung aller übrigen Miteigentümer zulässig. Im Sommer sind Markisen und Blumentröge Brennpunkt dieser Diskussion, im Winter sich abseilende Weihnachtsmänner und der Lichtersmog von Lichterketten. Was dem einen gefällt, ist für den anderen eine unzumutbare Beeinträchtigung. Als Mieter empfiehlt sich stets ein Blick in den Mietvertrag und die Hausordnung. Der Vermieter kann Veränderungen dann verbieten, wenn dabei Fassade oder Balkon angebohrt werden. Er ist in dieser Entscheidung nicht frei, weil er als Wohnungseigentümer Veränderungen an allgemeinen Teilen nicht dulden darf, die andere Miteigentümer beeinträchtigen könnten. Um sich nicht selbst Unterlassungsansprüchen anderer Wohnungseigentümer auszusetzen, muss er seinem Mieter daher Grenzen setzen. Werden allerdings keine allgemeinen Teile der Liegenschaft beansprucht, darf man aber auch seinen eigenen Balkon nach seinem Geschmack gestalten. Überbordende Dekorationen, die den Nachbarn beeinträchtigen können, müssen allerdings nicht hingenommen werden.
Neben der unterschiedlichen Auffassung zur optischen Gestaltung der Balkone lässt auch der Bepflanzung die Wogen schon einmal hochgehen. Vor allem dann, wenn durch die Bepflanzung das Mauerwerk oder der darunter liegende Balkon in Mitleidenschaft gezogen wird. Eine Bepflanzung, die zur Beschädigung der Fassade führt, kann dem Mieter untersagt werden.
„Ein Einkürzen der Höhe der Hecke am Nachbarsgrund ist verboten und kann zu oft hohen Schaden- ersatzforderungen führen.“
Im Bereich des Wohnungseigentums können Miteigentümer mit Unterlassungsklage gegeneinander vorgehen. Im botanischen Bereich lässt die Liebe zur eigenen Hecke so manch einen den Weg zu Gericht bestreiten. Anlass ist meist der Rückschnitt der Hecke. Was für den einen zu viel ist, ist für den anderen zu wenig. Grundsätzlich gilt: Was von der Hecke über die Grenze wächst, darf der Nachbar abschneiden. Ein Einkürzen der Höhe der Hecke am Nachbarsgrund ist verboten und kann zu oft hohen Schadenersatzforderungen führen.
Bei allen aus dem Zusammenwohnen resultierenden Konflikten ist es ratsam zunächst ein sachliches Gespräch mit dem Nachbarn zu suchen und sich an dem nachbarrechtlichen Rücksichtnah-megebot zu orientieren. Bevor man zur Selbsthilfe greift, kann ein Gespräch mit dem Rechts-freund dabei helfen klarzustellen, ob es sich um eine nur subjektiv als störend empfundene Beeinträchtigung oder eine objektiv unzumutbare, nicht ortsübliche Beeinträchtigung handelt, die notfalls mit Hilfe des Gerichts abgestellt werden kann. Vielleicht hilft den durch lange Konflikte emotional aufgeladenen Betroffenen ein solches Gespräch aber auch, um zu erkennen, dass das für sie als unzumutbar Empfundene objektiv gar keine Beeinträchtigung darstellt. In dieser Situa-tion beruhigt viele ein guter Ratschlag, wie man dennoch mit der bestehenden Situation Frieden schließen und zur Ruhe finden kann.
